Am 7.3.2018 war Torben Schiffer wieder mal in Berlin und berichtete über den aktuellen Stand auf Einladung des Imkervereins Spandau.
Der Saal war gut gefüllt und für 10 € Eintritt (als Gast) bekam man voll gepackte und sehr engagierte 3 1/2 (!) Vortrag!
Wir hatten ihn ja bereits im Oktober 2016 hier zu Gast und ich war neugierig, was sich so seither getan hat:
Natürlich stellte er zu Beginn sein "Steckenpferd", den Bücherskorpion vor. Sehr schön detailliert mit vielen Einzelaufnahmen; darunter elektronenmikroskopische Details. Natürlich auch die bekannten Aufnahmen vom Skorpion beim Milbenfressen. Schuldig blieb er allerdings Aufnahmen, die nun das tatsächliche Fressen im Volk zeigten...eine IR-Aufnahme zeigte, wie sich ein Skorpion mal einer Biene nähert doch ansonsten verwies er nur auf Aufnahmen einer südafrikanischen Forschungsgruppe, die die Kommunikation des Bücherskorpions mit einer Biene zeigen würden. Ein tatsächlicher Verzehr der Milben in dem Volk/in der Beute ist ansonsten nur theoretisch berechnet aber scheinbar bisher nicht praktisch dokumentiert worden.
Allerdings wurde auch klar, dass sich seine Forschungen (die er ja nun im Auftrag von Prof. Tautz macht) sich schon erweitert und etwas verlagert haben: Ziel seiner Arbeit sei es gewesen, die tatsächlichen Parameter einer artgerechten Bienenbehausung erstmals zu erfassen und er macht dies über Untersuchungen an von Bienen bewohnten Baumhöhlen. Anhand dieser Messungen sei es nun auch geplant, dass Hobos eine Art "Beuten-Energiesiegel" vergeben werde, das als Gradmesser der Behausungsqualität dienen solle. Er zeigte auch zahlreiche Messungen und Untersuchungen, die schon sehr fundiert und damit die geforderten Konsequenzen begründeten.
So moniert er, dass viele Beuten in Material und Design für zu kühle und/oder zu feuchte Stockklimata führten. In der Baumöhle sei Kaltbau üblich (ausgenommen, das Flugloch liegt eher im oberen als im unteren Drittel - dann würde eine Warmbauwabenzunge für Abschirmung sorgen und dahinter gehe es erst im Kaltbau weiter). Besonders schlecht schnitt bei ihm die Bienenkiste ab (zu flach, zu viel Volumen, zu viel Oberfläche) und auch die Einraumbeute (ausser, es handele sich um eine Strohwand-Variante) bekam ihr Fett weg.
Eine natürliche Baumhöhle sei oben durch eine Kappe aus Propolis isoliert, die wie eine Goretex-Membran Wasserdampf durchlasse aber Kondensat nicht. Dadurch könne das darüberliegende Holz über die Poren im Stirnholz große Mengen an Feuchtigkeit aufnehmen und daher eine besonders warme und trockene Atmosphäre - gerade im Winter - entstehen. Der dort gelagerte Honig diene dann auch als Wärmepuffer und kristallisiere nicht/langsamer. Nach seinen Messungen war der Strohkorb und die Klotzbeute noch am besten; die Segeberger war zwar vergleichbar warm aber viel zu feucht - optimal seien weniger als 80% Luftfeuchte bei 20°C. Die Bienenkugel sei in der runden Form eigentlich nicht korrekt proportioniert und leider auch nicht aus korrekt orientierter Holzmaserung geschnitten. Er gab in diesem Zusammenhang auch Bautipps für eigene "Trockenzargen" um Beuten trocken zu legen.
Interessant: Ein mit Wachs getränktes Leinentuch läßt Wasser nicht durch und gleicht damit den so verpönten Plastikabdeckfolien! Auch der Idee, einfach Stirnholzdeckel zu bauen, erteilte er eine Absage - die benötigten Massen zur Aufnahme des Wassers seien einfach zu hoch um solche Deckel noch praktikabel zu machen.
Sehr schön waren dann auch seine Belege für die Bedeutung des "Grooming" wie Milben mit abgebissenen Beinen und Videos des Putzens. Er lehnt den offenen Boden ab und fordert einen geschlossenen, tiefen Boden, in dem sich der Mulm sammeln kann da dieser ein wesentlicher Teil des Ökosystems des Bienenvolks sei. Drohnenbrutschnitt wie Behandlung - egal womit - lehnt er rundherum ab da alles nicht nur Milben, sondern auch Raubmilben und Bcherskorpione kille...auch die Hyperthermie und Thymol seien schädlich! Da der Pseudskorpion zudem nicht auf die Rähmchen gelangen könnten, müsse der Beespace zumindest an den Beutenwänden überbrückt werden. Eine solche nischenreiche Beute sei auch gegen den Beutenkäfer gewappnet da der Bücherskorpion in den dunklen Ecken auf diese lauere. Ebenso sei nur eigener Honig für die ausreichende Immunabwehr im Winter geeignet.
Inzwischen gibt es auch eine "Anleitung" in Buchform oder als Download.
Positiv: bereitwillige Anleitung zum Selber-Optimieren vorhandener Beuten durch "Trockenaufsätze" mit Thermo-Hanf oder Hanfstreu um die Feuchtigkeit zu senken. Auch das Grooming kann man durch 20fache Vergrößerung der abfallenden Milben selber prüfen und sollte solche Völker bei der Nachzucht besonders würdigen. Anschaulich demonstrierte er die Unterschiede zwischen Stirnholz, durch das man sichtbar blasen kann und längsgeschnittenes Holz, das keine Feuchtigkeit aufnimmt. Seine Untersuchungen untermauern viele alte Lehren wie z.B. das hochgeständerte Aufstellen der Beuten (trockener!) und geben Warrés "Kissenzarge" eine späte Würdigung!
Negativ: Störend fiel das gelegentliche "Insituts-und Mitbewerbs-Bashing" auf, was schon manchmal etwas verschwörungstheoretikerlike rüberkam. Außerdem wurde gerade gegen Ende ohne jede Datengrundlage sehr verallgemeinert - so darf gerade in der Stadt bezweifelt werden, dass nun alle Imker angeblich "faule" Bienenvölker rigoros umweiseln und damit den Genpool um das "Grooming" schmälern würden noch dass das Eingangs gemachte Statement, dass bundesweit generell Winterverluste von +30% die Regel seien, wirklich so zu halten ist. Leider fehlten auch Daten, dass Bienen nun eine bessere Immunabwehr durch mehr eigenen Honig als Winterfutter hätten noch gab es Daten, dass wirklich winterlich eingegangene Völker vornehmlich an Schimmel sterben würden - zwar waren die Bilder der dunklen Honigblase und der daraus gezogenen Schimmelrasen ganz eindrücklich doch war nun unklar ob das statistisch irgendwie signifikant ist...dazu hätte man sich gerne eine umfangreichere Datendarstellung gewünscht (sofern vorhanden). Ebenfalls unbelegt stand die Behauptung im Raum, die elektrostatische Aufladung der Segeberger würden diese Beute generell für den Bücherskorpion ungeeignet machen - in wie weit eine innen propolisierte Segeberger überhaupt noch so eine Aufladung vollzieht, wurde nicht weiter gezeigt. Nun ja, und in wie weit das Entmilben eines stark vermilbten Brutlings nach der totalen Brutentnahme mittels Puderzuckerberieselung wirklich alleinig ausreichend sein soll, bezweifele ich.
Fazit: Sieht man über einige Ungenauigkeiten und Fehler hinweg, ignoriert das manchmal etwas verschwörungstheoretikerartige Instituts-Bashing und die unbelegten Behauptungen, dann hat man zahlreiche gute Anleitungen und Denkanstöße mit auf den Weg bekommen.